Wald, Gebirge, ein Fluss und viel Grün – so offenbart sich das Land, auf dem ich eine Stadt errichten soll. Meine Stadt. My City. Bei allen anderen sieht der jeweils eigene Spielplan vor der ersten Partie exakt genauso aus, doch schon mit der ersten Aktion entwickeln sich alle Städte ein wenig anders. Niemals wieder werde ich in dieser 24 Spiele währenden Kampagne die selben Startbedingungen haben wie auch nur ein Mitspieler. Selbst bei mir verändert sich das Baugrundstück von Partie zu Partie. Das gehört zum Legacy-Prinzip. Und so familientauglich, wie es Autor Reiner Knizia und Kosmos hier präsentieren, war diese moderne Spielform noch nie.
Wie geht „My City“?
Der grundlegende Mechanismus, der dem zum Spiel des Jahres 2020 nominierten „My City“ innewohnt, ist ganz einfach. Karte umdrehen und alle müssen das darauf abgebildete Gebäudeplättchen auf ihren Plan puzzeln. Angrenzend zu schon gelegten Teilen. Nicht über den Fluss. Gerne über Steinfelder, aber nicht so gerne auf einzelne Bäumen. Je mehr der Tetris-artigen Plättchen ich auf dem Spielfeld unterbringe, desto besser. Denn in der ersten Partie zählen freie Wiesen am Ende Minuspunkte. Wie auch sichtbare Steine. Stehengebliebene Bäume indes zahlen sich für mich positiv aus.
Fortschrittspunkte für den Kampagnenerfolg
Nach maximal 24 Gebäudeplättchen ist der erste Städtebau beendet. Doch nun geht „My City“ erst so richtig los. Denn so schön ein einzelner Sieg auch ist, letztlich geht es um den Kampagnenerfolg. Gewinner sammeln Fortschrittspunkte, die sie mit einem Stift auf ihrem Plan eintragen. Außerdem kleben sie schlechte Aufkleber als Malus für kommende Partien auf ihren Plan. Wer in einer einzelnen Partie schwach abschneidet, darf gute Aufkleber platzieren. Zum Beispiel einen Baum, der in folgenden Partien in die Wertung kommen kann.
Dazu müssen natürlich alle Gebäude wieder abgerissen. In Partie zwei geht es somit quasi wieder vor vorne los. Und den Partien 3 bis 24 ebenfalls. Mit stets kleinen Änderungen. Regeln kommen hinzu, verschwinden wieder, die Punktwertung unterläuft Modifikationen. Aber immer nur ganz sanft. Die Unterschiede von Partie zu Partie sind marginal, aber dennoch erzeugen sie einen Sog. Wie geht es weiter? Was kommt hinzu? Wie muss ich meine Taktik anpassen?
Neues in Umschlägen
Thematisch durchläuft unsere Stadt die Zeit rund um die Epoche der Industrialisierung. Die Geschichte rückt aber deutlich in den Hintergrund. Keine Prosa lenkt vom Kern des Spiels ab. Gleichwohl verstärkt die Einteilung der Kampagne in acht Kapitel den Spannungsbogen. Denn zu Beginn jedes Kapitels öffnen wir einen neuen Umschlag, in dem alles Nötige für die drei folgenden Partien enthalten ist – sowohl Material als auch Regeln. Die Neugierde auf den Fortschritt treibt uns an.
So behutsam, wie die Regeln verändert werden, so gemächlich machen sich auch die Malus- und Bonussticker bemerkbar. Von einer Partie zur anderen werden sie kaum bewirken, dass ein per se schwächerer Spieler zum Favoriten aufsteigt. Doch im Laufe der Kampagne können die dadurch erlangten Unterschiede durchaus gewichtig werden. Das muss nicht bedeuten, dass das Rennen um den Kampagnensieg noch einmal neu gestartet wird. Kann es aber.
Das ewige Spiel
Und was passiert, wenn die Kampagne abgeschlossen ist? Die Fortschrittspunkte werden abgerechnet. Doch viel wichtiger als die Kür des Gesamtsiegers bleibt am Ende das Spielerlebnis im Gedächtnis. „My City“ ist ein Event, das in Summe acht bis zwölf Stunden umfasst. Damit muss es noch nicht vorbei sein. Auf der Rückseite des Plan lädt das sogenannte „ewige Spiel“ immer wieder ein zu Partien, die einen Entwicklungsstand Mitte der Kampagne aufgreifen. Das übt allerdings einen eher geringen Reiz aus, denn ohne die Überraschungen aus den Umschlägen verliert „My City“ einen entscheidenden Faktor. Das soll aber die starke Autorenleistung nicht schmälern. „My City“ gehört ohne Zweifel zu den besten Neuheiten des Spielejahrgangs.
My City
- Kosmos
- Reiner Kniza
- 2 bis 4 Spieler
- ab 10 Jahren
- 30 Minuten
- Jahrgang 2020
- Spielanleitung
Meine Einschätzung: ★★★★☆ (stark)
Kommentare sind geschlossen.